Rede der Vorjahressiegerin Hildegund Laaff, M. Lengfeldsche Buchhandlung
Sehr geehrte Frau Kulturstaatsministerin, liebe Frau Grütters, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste!
Heute hier als Buchhändlerin zu stehen, ist eine große Ehre für mich. Zuerst möchte ich Ihnen, sehr verehrte Frau Ministerin, danken für ihr großes Engagement für den Buchhandel in unserem Land. Diese Wertschätzung und Förderung tut uns gut. Ein Land, das sich nicht dem Buch und dem Lesen widmen würde, wäre arm dran. Denn das Lesen ist eine Schule der Aufmerksamkeit und der Konzentration. Wer einmal vollständig in einem Buch versunken ist, weiß, wovon ich spreche. Wer so einmal in eine fremde Welt eingetaucht ist, wird auf einmal freier, blickt über seinen Tellerrand hinaus. Was könnte uns in diesen Tagen besser tun, als durch die Begegnung mit anderen selber offener und neugieriger zu werden. Seit meiner Kindheit habe ich deshalb immer besonders Bücher gemocht, die mich in fremde Länder, auf weite Meere, ja bis zum Mond entführt haben.
Wer liest, ist allein, aber nicht einsam. Vielen Menschen und ihren Schicksalen begegne ich bei der Lektüre: Madame Bovary, Monsieur de Charlus, Anna Karenina und viele mehr werden zu meinen Verwandten. Ich lade sie ein in mein kleines Wohnzimmer, wo sie es sich im Sessel gemütlich machen.
Und was gibt es schöneres, als sich über die Lektüre auszutauschen. Mit Freunden, mit den Kunden, die in der folgenden Woche freudestrahlend ins Geschäft kommen, weil ihnen das Buch, das ich empfohlen habe, so gefallen hat. Das ist der Grund, warum ich auch noch nach 61 Berufsjahren jeden Morgen mit Begeisterung in unsere Buchhandlung gehe: weil ich mit Menschen ins Gespräch komme, von ihren Interessen und Ideen erfahre, ihnen eine Empfehlung aussprechen darf. Weil ich spüre, wie eine gute Beratung auf dankbare Resonanz stößt. Weil ein Buch, das ich verkaufe, bei dem Kunden eine Erfahrung, ein Erlebnis, eine Erkenntnis evoziert. Weil für die Kinder, die bei uns ihre ersten Bücher kaufen, diese Bücher zu Begleitern für ihr ganzes Leben werden. Denn wo kommt man sich so nahe wie in einer Buchhandlung: das Buch öffnet die Seelen.
Diese Gemeinsamkeit durch das Lesen erleben wir in der Lengfeld‘schen Buchhandlung seit Jahren unter anderem durch unsere Langzeitlesungen. Angefangen mit Prousts Suche nach der verlorenen Zeit, liegen wir zurzeit bei Oblomow auf der Couch, um im nächsten Jahr von Tristram Shandy zu hören. Aufs äußerste gebannt, folgen unsere Gäste dem Vorleser. Danach vertieft man das Gehörte bei einem Glas Wein. Ein wunderbarer Salon mitten in der Stadt!
Köln ist eine Literaturstadt, auch deshalb lebe und arbeite ich dort so gern. Wir haben die meisten Fachbibliotheken; die Dombibliothek verwahrt Handschriften aus dem 8. Jahrhundert. Und erst kürzlich entdeckte man bei Ausgrabungen eine römische Bibliothek aus dem 2. Jahrhundert. Mit der Bücherleiter in die Römerzeit: so könnte ein neuer Bestseller heißen! Viele Verlage sind in Köln, ein engagiertes Literaturhaus. Wir können froh sein über diese Vielfalt!
Ich spreche sicher im Namen aller hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen, wenn ich sage: wir haben einen Traumberuf. Bei allen Nöten und Schwierigkeiten, mit denen die Buchhandlungen zu kämpfen haben, pflegen, hegen und fördern wir aber doch das älteste Kulturgut: das geschriebene Wort. Ohne das gäbe es keinen Homer, kein Gilgamesch-Epos und keine Bibel. Wollten wir in einer Welt leben ohne diese großen Geschichten von Liebe und Treue, von Trauer und Einsamkeit, von Aufbruch und Wagnis, von Leidenschaft und Lust? Lassen wir uns doch von niemandem vorschreiben, was wir zu lesen und zu denken haben: unser Schiff, vollbeladen mit den schönsten Büchern der Welt, nimmt mit geblähten Segeln Fahrt auf ins weite, offene, herrliche, tiefblaue Meer des glücklichen Lesens!